Die in der Wirkstoffforschung sowohl intern als auch extern produzierten großen Datenmengen erfordern, dass die Datenverarbeitung ein zentrales Element einer modernen Forschungsorganisation bildet. In der Abteilung Research Informatics laufen die Disziplinen Chemieinformatik, Bioinformatik, Systemintegration, Datenmanagement und Support-Informatik für die in silico Wirkstoffforschung zusammen.
Diese umfasst:
- in silico Target-Identifizierung und Untersuchung der Nutzbarkeit als Wirkstoff
- virtuelles Screening und Hit-Expansion
- in silico Design
Diese Kompetenzen können sowohl einzeln als auch als Teil von vollintegrierten Programmen mit unseren Forschungspartnern in Anspruch genommen werden.
In silico Target-Identifizierung und Untersuchung der Nutzbarkeit
In silico Target-Identifikation
Evotec verwendet branchenübliche Standarddatenbanken für die Wechselwirkungen von Targets, die in Kombination mit anderen „-omik“-Daten dazu verwendet werden können, eine Karte der Target-Wechselwirkungen zu erstellen. Diese Netzwerke können mit unseren prädiktiven Pharmakologie-Tools erheblich verbessert werden.
Zurzeit werden über 200 Mio. Bioassay-Datenpunkte zum Aufbau von Modellen beschafft. Die Analyse des Behandlungspfads kann der Identifizierung neuer und neuartiger Targets dienen, die eine Krankheitshypothese modulieren können. Solche Ansätze sind bei der Target-Dekonvolution und der Neuausrichtung des Einsatzes von Wirkstoffen elementar.
Untersuchung der Nutzbarkeit als Wirkstoff
Evotec kann strukturbasierte Untersuchungen neuartiger Targets durchführen, um zusätzliche Hintergründe für die Nutzbarkeit als Wirkstoff zu bieten, wenn keine oder nur wenige wirkstoffartige Substanzen bekannt sind. Neue 2-D-sequenzbasierte „Umschaltbarkeits-“ Berechnungen, die auf 3-D-Strukturen hochgerechnet wurden, sind erfolgreich zur Prognose allosterischer Stellen für die Modulation, Oberflächen für PPIs und Bindungen monoklonaler Antikörper (mAb) eingesetzt worden.
Virtuelles Screening und Hit-Expansion
Virtuelles Screening
Unsere Wissenschaftler entwickeln entsprechend den Bedürfnissen unserer Kunden die am besten geeigneten in silico Screeningverfahren. Sie können dabei auf umfassende Erfahrungen auf dem Gebiet der Research Informatics zurückgreifen.
Für das virtuelle Screening hat Evotec Zugang zu einer Vielzahl an Methoden unter Anwendung der führenden kommerziellen Softwarelösungen.
Die Screeningprojekte können mithilfe verschiedener Substanzbibliotheken durchgeführt werden, die unterschiedliche chemische Räume abdecken:
- EvoSource (34 Mio. Substanzen)
- Evotecs diverse Substanzbibliothek(400,000 Substanzen)
- Sanofis Wirkstoffsammlung (700,000 Substanzen)
- Evotecs Fragmentbibliothek (20,000 Substanzen)
- Bibliothek für phänotypische Screens (20,000 Substanzen)
- eine Bibliothek mit in der Literatur beschriebenen Bioaktivitäten (5,000 Substanzen)
Darüber hinaus stehen unseren Kunden Ansätze der chemischen Genetik und Ansätze zur Orthologensuche zur Verfügung. Sie stellen einen guten Ausgangspunkt für die Identifizierung neuartiger aktiver Wirkstoffe dar.
Evotec hat Lizenzen für LeatIT und Spark zum „Scaffold Hopping“, verfügt jedoch auch über eine Reihe interner Softwareentwicklungen um Strukturen zu vereinigen (zusammenzuführen) und mit Hilfe von Platzierungs-Algorithmen in Bindetaschen auszurichten.
Hit-Expansion
Die im Screening identifizierten Hits müssen strukturell variiert und getestet werden, um das Vorhandensein von Struktur-Aktivitätsbeziehung zu zeigen. Dieser Ansatz basiert traditionell auf chemischer Ähnlichkeit und beinhaltet Datenbanksuchen nach ähnlichen Substanzen. Evotec verwendet zudem Algorithmen zur Pharmakologievorhersage. Auf diese Weise können Substanzen identifiziert werden, die eine ähnlichen Target- bzw. Pathwaysignatur besitzen.
Algorithmen zum Bibliotheksdesign, statistische Verfahren und Tools der virtuellen Chemie können kombiniert eingesetzt werden, um diejenigen Substanzen für die Synthese auszuwählen, die in anschließenden Versuchen einen hohen Informationsgehalt bieten.
In silico Design
Evotec verfügt über eine umfassende Expertise im strukturbasierten Wirkstoffdesign unter Anwendung quantenchemischer FMO-Algorithmen (Fragment Molecular Orbital). FMO berechnet die Stärke der Interaktion zwischen den Aminosäuren der Proteine und Ligandatomen, um die Treiber der molekularen Affinität exakt zu bestimmen.
Molekulare Simulationen (WaterScout) und Verfahren zur ΔG (Nautilus) Abschätzung können eingesetzt werden, um Wassermoleküle zu identifizieren, die zur Ligandbindung beitragen oder diese abschwächen. Evotec besitzt umfangreiche HPC-Kapazitäten (High Performance Computing) mit multiplen Intel und GPU-Clustern. Sie erlauben die routinemäßige Anwendung dieser rechenintensiven Ansätze.
Der Entwurf von Wirkstoffen für die Anwendung am Mensch erfordert die Betrachtung einer Vielzahl Dimensionen der Medizinalchemie und Pharmakologie. Evotec hat eine Reihe statistischer Werkzeuge entwickelt, um sogenannte Matched Molecular Pairs (MMPA) zu analysieren und Free-Wilson-Verfahren anzuwenden. Diese können in Kombination mit QSAR- und QSPR-Vorhersagemodellen verwendet werden, um ein effektives experimentelles Design zu ermöglichen. Die PK/PD-Modellierung wird in Kooperation mit der DMPK-Gruppe von Evotec vorgenommen.